Institut Kutschera
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04.10.2024
Wie gelebte Resonanz und eine Auseinandersetzung mit unseren gesellschaftlichen Rollen zu mehr ganzheitlicher Gesundheit von Körper-Geist-Seele und erfüllten gleichwertigen Beziehungen beitragen können. Mit zunehmender Häufigkeit begegnen wir dem Begriff „Mental Load“ in Diskussionen über psychische Belastung und Gesundheit. Auch in meiner Arbeit als Coach und Trainerin kommt er vermehrt vor – bei Frauen gleichermaßen wie bei Männern.
Es gibt immer noch Unklarheit über seine Bedeutung. Viele assoziieren die Symptome vorschnell mit bekannten Phänomenen wie Stress, Burnout, Überforderung, misslungenem Multitasking oder Workaholic-Tendenzen. Es ist daher notwendig, tiefer in diese Thematik einzutauchen und Lösungsansätze zu entwickeln, die nicht nur zu einem besseren Verständnis beitragen, sondern auch Wege aufzeigen, wie man von der Last des Mental Loads zu einem Zustand verbesserter Mental Health gelangen kann.
Mental Load beschreibt die kognitive und emotionale Last, die durch nicht-physische Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Entscheidungen entsteht. Es umfasst die geistige Anstrengung, die erforderlich ist, um Aufgaben zu planen, zu organisieren, zu priorisieren und zu koordinieren, sowie die emotionalen Aspekte, die mit der Bewältigung dieser Aufgaben verbunden sind. Mental Load ist vielschichtig und beschreibt z.B. das Leben von Eltern, die versuchen, das Familienleben, die Pläne der Kinder, den Haushalt, die Partnerschaft, die Freundschaften, Hobbies, den Beruf und vieles mehr innerlich und äußerlich in den Griff zu bekommen.
Durch die Übertragung verantwortungsvoller Aufgaben kann eine emotionale und kognitive Belastung entstehen – das beschreibt der Begriff Mental Load.
Wenn unter all diesen scheinbar kontrollierbaren Faktoren, sich einer ändert, wie zum Beispiel, dass ein Kind krank wird, dann bringt das fast unendlich viele Änderungen mit sich. Zumindest wird es so empfunden und um diese emotionale Bedeutung, um diese Gefühle, die mit den Menschen und Aufgaben verbunden sind, geht es bei Mental Load.
Mental Load beinhaltet einerseits die kognitive Leistung, Aufgaben zu organisieren, zu strukturieren und zu verteilen und andererseits zusätzlich noch die emotionale Leistung, die damit verbundenen eigenen Gefühle und die Gefühle über und für andere wahrzunehmen und zu regulieren. Ursprünglich als modernes Etikett für bekannte psychosoziale Belastungen missverstanden, hat sich gezeigt, dass Mental Load eine deutlich komplexere Herausforderung darstellt, die tief in unseren alltäglichen Gesellschafts- und Arbeitsstrukturen verwurzelt ist.
Ein junger Mann mit fertiger Berufsausbildung, einem guten Job, erfüllter Partnerschaft, Freundeskreis, Ex-Leistungssportler ist gern für andere da, hat Freude dabei und hilft mit Leichtigkeit auch noch seinen Eltern bei der Buchhaltung, bei Organisationen von Familienevents, im Sportverein und vieles mehr. Auf die Frage, wie die Aufteilung im Haushalt ist: die Wäsche – ja seine Wäsche macht natürlich er, aber weil´s leicht geht, nimmt er die seiner Frau mit. Kochen? Er kocht hauptsächlich – gerne – und natürlich geht er einkaufen, weil das gehört ja dazu und kann nicht extra gemacht werden.
Er empfindet all diese Tätigkeiten und Aufgaben einerseits als selbstverständlich in einer gleichwertigen Beziehung, hat dies mit seiner Frau besprochen und empfindet das überhaupt nicht als Belastung. Dies geht auch so lange, bis es zu „Störungen“ und Abweichungen von außen kommt. Bis unbeeinflussbare oder nur teilweise beeinflussbare „Faktoren“ ins Leben treten – wie beispielsweise Kinder, krankheitsbedingte Ausfälle von Kolleg*innen bei der Arbeit, Liefer- und Produktionsschwierigkeiten, etc.
Dann stellte sich bei ihm das Gefühl von ausgeliefert sein ein, Dinge nicht mehr unter Kontrolle zu haben und Handlungsohnmacht über sich verstrickende einander bedingende Zukunftsszenarien (worst-case Szenarien).
Der ständige Versuch, das Leben in allen seinen Facetten unter Kontrolle zu halten, kann zu ernsthaften psychischen Belastungen führen. Immer mehr Menschen berichten häufig von einem erhöhten Einfühlungsvermögen, Handlungsunfähigkeit und dem Wunsch, alles zu managen – oft zu Lasten ihrer eigenen Bedürfnisse und ihrer Beziehungen. Die Folge können Stress, Angstzustände, Depressionen und ein Gefühl der Überforderung und Ohnmacht sein.
Um den Übergang von Mental Load zu Mental Health zu erleichtern, ist es entscheidend, praktische Strategien zu nutzen, die uns helfen, unsere emotionalen und kognitiven Belastungen zu navigieren.
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Differenzierung zwischen eigenen Gefühlen und denen, die wir von anderen übernehmen. Durch das bewusste Erkennen und Akzeptieren unserer eigenen Emotionen können wir lernen, uns von fremden emotionalen Zuständen zu distanzieren. Dies hilft, emotionalen Überlastungen vorzubeugen und klare Grenzen zwischen persönlichem Empfinden und externen Erwartungen zu ziehen.
Wenn der junge Mann aus unserem Beispiel herausfindet, welche Aktivitäten und Aufgaben innerhalb der eigenen Kontrolle für sein Leben und natürlich seiner Kinder und Familie liegen, dann kann er proaktiv entscheiden, welche Gefühle er damit verbinden will und welche emotionale Bedeutung er dem gibt, das er bewusst steuern und alles andere ziehen lassen kann. „Wenn du DU bist, wächst das WIR“ – in diesem Sinne ist es wichtig, herauszufinden was der wirkliche, individuelle Lebenssinn ist, unabhängig von den Erwartungen und Vorgaben der Gesellschaft.
„Wenn du DU bist, wächst das WIR“
Was ist der wirkliche, individuelle Lebenssinn, unabhängig von den Erwartungen und Vorgaben der Gesellschaft?
Es ist wie ein Eintauchen in die ureigenste innerste Resonanz, um diese dann im Leben umzusetzen. Wenn Menschen, die von den Zwängen des Mental Load betroffen sind, herausfinden, wie sich ihre wirklichen eigenen Bedürfnisse und Wünsche anfühlen und lernen, diese situationsadäquat zu äußern, dann ist ein angenehmes, achtsames Miteinander in ihrem Umfeld wieder leichter möglich, und es führt zu innerer und äußerer Entspannung für alle. Denn dann können die echten tiefliegenden Talente zum Vorschein kommen und in die Gesellschaft eingebracht werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Setzen von kleinen, erreichbaren Schritten. Anstatt sich von der Gesamtheit der Aufgaben überwältigen zu lassen, empfiehlt es sich, Ziele in kleinere, handhabbare Aufgaben zu unterteilen. Diese Herangehensweise ermöglicht es, Fortschritte zu erkennen und zu würdigen, was motivierend wirkt und zur psychischen Entlastung beiträgt. Das betrifft die Akzeptanz bestimmter Rahmenbedingungen (Physische, emotionale und soziale) und die Freiheit innerhalb des gegebenen Rahmens eigenverantwortlich handeln zu können.
Weiters ist eine effektive Aufgabenverteilung ebenso essenziell. Indem Aufgaben fair und entsprechend den individuellen Fähigkeiten und Kapazitäten innerhalb des Familien- oder Arbeitsteams verteilt werden, kann eine Überlastung einzelner Personen vermieden werden, und man kann gemeinsam als Team Lösungsszenarien für unerwartete Probleme kreieren.
Ein Lösungsansatz kann die Unterteilung der gesamten Ziele in kleine lösbare Aufgaben sein.
Diese Ansätze bieten nicht nur praktische Werkzeuge zur Bewältigung von Mental Load, sondern fördern auch ein tieferes Verständnis für die eigenen Bedürfnisse und Gefühle. Sie leiten uns an, bewusster und achtsamer mit uns selbst und anderen umzugehen, was den Grundstein für dauerhafte psychische Gesundheit und Wohlbefinden legt. Wir lernen dadurch, Beziehungen als Ressource zu erleben und gleichzeitig uns selbst zu spüren.
Der Schlüssel zur Überwindung von Mental Load und der Förderung von Mental Health liegt nicht allein in oberflächlichen Organisationsstrategien oder der Delegation von Aufgaben. Vielmehr bedarf es einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit unseren emotionalen und kognitiven Mustern. Hier bieten die Metaprogramme und die Kutschera-Resonanz® Methode wertvolle Ansätze. Sie helfen, eigene Gefühle von denen anderer zu unterscheiden, Ziele in erreichbare Schritte zu unterteilen und ein Bewusstsein für die Vielfalt möglicher Lösungswege zu entwickeln.
Indem wir lernen, unser Bewusstsein für das große Ganze gezielt einzusetzen, können wir eine Balance zwischen unseren Bedürfnissen und den Anforderungen, die an uns gestellt werden, finden. Rechtzeitiges Auftanken und der Mut, Diskussionen über Aufgabenverteilung zu führen, sind ebenso Teil des Prozesses wie die Akzeptanz, dass Perfektion oft der Feind des Guten ist.
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Der Artikel wurde von Andrea Kutschera verfasst und ist auch in der Sommerausgabe des Counseling Journals des BVPPT (Berufsverband für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie) ab Seite 17 nachzulesen: