Institut Kutschera
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16.08.2022
In den vergangenen Jahrzehnten haben wir Menschen – jedenfalls in den westlichen Ländern – enorme Entwicklungssprünge gemacht. Der Trend zur Selbstverwirklichung hält an und wir haben unzählige Möglichkeiten, das eigene Selbstbild nach Belieben umzusetzen. Da möchte man doch meinen, dass sich in Sachen Beziehung auch einiges in Richtung mehr Offenheit, Toleranz und Verständnis füreinander getan hat. Trotzdem sind unsere Paarseminare voll mit verzweifelten Paaren und Singles, die diese Werte gemeinsam mit anderen leben wollen, aber einfach nicht wissen wie.
Die Liebe für den Partner ist zwar da, aber der Alltag und das Miteinander gestalten sich schwierig. Wir streben ein harmonisches Zusammenleben an, aber Streits und Missverständnisse bestimmen das tägliche Leben. Die Frustrationstoleranz sinkt, die Erwartungen sind zu hoch und die Beziehung wird zur Belastung. Sie läuft in eine unangenehme Richtung und eine Abwärts-Spirale beginnt. Ein oder beide Partner fühlen sich einsam, unwichtig, vernachlässigt, missverstanden – der Schritt zur Trennung ist nicht mehr groß.
Unserer Erfahrung nach resultieren die Hauptursachen für Trennungen aus der Unfähigkeit, miteinander umzugehen und unsere Konflikte in einer konstruktiven Weise zu lösen. Die meisten von uns wissen zwar mittlerweile, dass es wichtig für unser persönliches Wohlbefinden und unsere Gesundheit ist, Gefühle offen zu äußern. Nur tun wir das in gegenwärtigen Partnerschaften immer noch sehr wenig. Viele Gefühle sind tabu oder werden als negativ erlebt und daher unterdrückt. Wir sehnen uns danach, Glück, Liebe und Freude zu empfinden. Aber auch die sogenannten negativen Gefühle wie Trauer, Ärger und Angst möchten auf konstruktive Weise ausgedrückt und gelebt werden. Sie werden stattdessen oftmals zurückgedrängt, runtergeschluckt oder an falscher Stelle mit zu hoher Intensität ausgelebt. Was zu Streit, Unsicherheit und einem inneren Ungleichgewicht führt.
Dazu kommt, dass wir alte, negative Muster und hinderliche Glaubenssätze aus unserer Vergangenheit mit uns herumtragen. Und diese werden natürlich am besten von jenen Menschen getriggert, die uns am nächsten sind.
„Ein Problem ist eine Fähigkeit, die am falschen Platz mit der falschen Person zur falschen Zeit gelebt wird.“
Dr. Gundl Kutschera
Auch Empathie spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Ist der Partner beispielsweise schlecht gelaunt und man spürt dieses negative Gefühl mit, kann es vorkommen, dass man auf den anderen sauer wird. Der Partner der die schlechte Laune hat muss dabei nicht unbedingt ungut oder laut sein. Man spürt die (negativen) Gefühle des anderen als wären es die eigenen. Wenn wir es nicht lernen, tun wir uns schwer, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse von fremden Gefühlen und Bedürfnissen auseinanderhalten. Dabei ist es so wichtig, dass wir uns von fremden Gefühlen befreien, damit wir wieder zur eigenen Identität zurückfinden können.
Hinzu kommt, dass alte, gewohnte Rollenbilder zerfallen sind und es noch keine neuen gibt, an denen wir uns orientieren können. Gesellschaftliche Werte wie Selbstverwirklichung, Beruf, Karriere und individuelle Lebensplanung geraten zunehmend in den Vordergrund. Da bleibt für Partnerschaft und Familie weniger Zeit. Zugleich gibt es eine große Sehnsucht nach dauerhafter Liebe und befriedigender Partnerschaft.
Warum klappt es nicht? Schauen wir in der Geschichte zurück: Seit es Menschen gibt, hat es in Partnerschaften noch nie gleichwertiges Miteinander gegeben. Deshalb haben wir noch keine Modelle. Aber dafür eine große Chance, denn jedes Paar kann die eigene Definition für ihre Beziehung finden. Dies führt verständlicherweise zu großer Unsicherheit.
Wir suchen die komplexe Verbindung von Freiheit und Geborgenheit – die Resonanz in uns, in unserer Partnerschaft und mit unserem Umfeld. Wie geht das, wie kommen wir da weiter? Der Wunsch nach einer gleichwertigen Beziehung ist groß. Wie aber sollen wir ein Gemeinsames finden, wenn wir gleichzeitig frei und eigenständig sein und auch unsere individuelle Lebensplanung einbringen wollen?
Was es braucht sind neue positive, befriedigende Modelle für Familie, Ehe und Partnerschaft, für Gemeinschaft und generell für ein gutes Miteinander. Wir müssen uns als Frauen und Männer neu entdecken und unsere Rollen neu definieren. Dies stellt für beide Geschlechter Herausforderung und Chance zugleich dar.
Viele Jahre Erfahrungen zeigen , dass nicht psychische Probleme die Ursache für das Ungleichgewicht in Beziehungen sind, sondern schlicht ein Nicht-Wissen. Ein Nicht-Wissen, wie man miteinander umgehen soll, wie man alte Verletzungen, die man vielleicht schon Jahre oder Jahrzehnte mit sicher herumschleppt versöhnt und heilt. Ein Nicht-Wissen, wie man wieder in das anfängliche Glücklich-sein zurückfinden kann.
Alles wird gelernt außer Beziehung und Kindererziehung
Wir brauchen heute für fast jede Tätigkeit Ausbildungsnachweise und „Scheine“. Nur eine Partnerschaft darf jeder ohne jegliches Lernen beginnen – und Eltern dürfen ihre Kinder erziehen ohne vorab entsprechend ausgebildet zu werden.
Wir schulen zwar von klein auf unser Fachwissen. Was wir aber nicht lernen ist, wie wir uns in Beziehungen (privat und beruflich) verhalten sollen. Mit dem 5-Rollen-Modell hat Dr. Gundl Kutschera eine Methode entwickelt, die unter anderem dabei hilft, dieses Problem zu lösen. Es hilft uns, uns selbst besser kennen- und verstehen zu lernen und unsere Partnerschaft selbst zu definieren, so dass sich alle wohl fühlen.
Das 5-Rollen-Modell für neue Rollenbilder
Hier werden Strukturen und Vorgehensweisen aufgezeigt, wie jeder für sich herausfinden kann, was glückliches Miteinander in Beziehungen und Familien sein kann.
Individuum
Wenn wir die Rolle „Individuum“ als selbstbewusster, eigenverantwortlicher Mensch leben, sind wir in Resonanz mit uns selbst, spüren den eigenen Körper, wissen, was wir brauchen und können es anderen mitteilen. Wir leben die Vielfalt unserer Gefühle, wählen unsere Gedanken frei und nehmen uns Zeit für uns. Wir freuen uns, wenn unser Partner,/unsere Partnerin ihre eigene innere Sonne lebt. In der Partnerbeziehung fühlen wir uns frei und geborgen. In betrieblichen Aufgaben haben wir Freude unsere Fähigkeiten zu leben und zu präsentieren. Hier tanken wir auf und leben unsere Talente. Wir haben die Aufmerksamkeit auf uns selbst gerichtet und sind unabhängig von anderen. Das heißt, wenn wir uns etwas von anderen wünschen, diese aber gerade keine Zeit oder Lust haben, sind wir nicht enttäuscht.
Mann/Frau
In dieser Rolle leben wir als Frau in Resonanz mit unserer Weiblichkeit, als Mann in Resonanz mit unserer Männlichkeit. In unseren privaten Beziehungen bewahren und verfeinern wir das lebendige Glücksgefühl des ersten Verliebtseins und freuen uns über das Anderssein des Partners. Hier findet man immer wieder Zugang zum ersten intensiven Verliebtsein und kann dieses auch in langjährigen Beziehungen immer wieder neu entdecken und leben. Im beruflichen Umfeld bereichern sich Frauen und Männern gegenseitig mit ihren speziellen Fähigkeiten – anstatt das Anderssein zu bekämpfen.
Hierarchie
Hier lebt man Geben und Nehmen in Balance und entdeckt, wie echtes Geben immer auch Nehmen ist. Wir leben als Führende oder Sorgende Resonanz und können uns auch führen und umsorgen lassen. Wir bekennen uns einerseits zur Verantwortung, lassen uns auf der anderen Seite auch gerne verwöhnen. Wenn wir gerne von Herzen geben, merken wir die Reaktion der anderen sofort – ein Lächeln, strahlende Augen und wir spüren die Verbindung. Diese Reaktion der anderen ist gleichzeitig ein Geben und ein Beschenken. Nur wenn Geben und Nehmen in Balance sind, fühlen wir uns in Beziehungen frei und geborgen zugleich. Wirkliches Geben ist immer auch Nehmen. Wenn wir selbstlos geben, bekommen wir immer etwas zurück – und sei es nur ein Lächeln. Ist allerdings die innere Erwartungshaltung ein Hoffen auf Anerkennung oder Lob, dann wird das Geben als unangenehm empfunden, weil es nicht bedingungslos „von Herzen“ kommt.
Spielen
Hier entdeckt man immer wieder die Leichtigkeit des Lebens. Man ist gemeinsam neugierig, entdeckt immer wieder Neues und findet heraus, was es heißt gleichwertig im Miteinander Spaß zu haben. In dieser Rolle leben wir wie Kinder die Neugierde und den spielerischen Entdeckungsdrang. In Beziehungen können wir fröhlich und ausgelassen sein. Wenn wir verliebt sind, wird diese Rolle meist sehr gut gelebt. Gemeinsam entdecken wir alles Mögliche und neugierig bewundern wir uns nicht nur gegenseitig, sondern auch unser Umfeld. Wir gehen gerne auf Entdeckungstouren und auf gemeinsame Reisen.
Umfeld
In dieser Rolle leben wir in Resonanz mit unserem sozialen Umfeld und mit der Natur. Wir wählen selbst unsere Freunde, unsere sportlichen und kulturellen Aktivitäten und unser soziales Engagement. Wir sind in Beziehungen in das soziale Netz unseres Umfeldes eingebunden, dazu gehören Freunde, Bekannte, Verwandte, Natur, Sport, Kultur und Politik.
Im beruflichen Umfeld sind wir uns der ganzheitlichen Wechselwirkung zwischen Gesellschaft, Natur und Wirtschaft bewusst und handeln verantwortungsvoll. Hier finden wir auch neu nach Hause in die Großfamilie und lernen die Generationen vor uns wertzuschätzen.
Fazit
Leben wir die fünf Rollen sowohl beruflich als auch privat, fällt es uns leicht, die Rollen der anderen zu respektieren und anzunehmen. Dann sind wir offen für die gleichwertige, respekt- und liebevolle Beziehung, die wir uns so sehr wünschen.
„Im Laufe eines Lebens verändern sich die fünf Rollen ständig und dürfen bei jeder großen Veränderung neu definiert werden. Definiere die 5 Rollen gemeinsam mit deinem Partner/deiner Partnerin oder für dich selbst, wenn du Single bist.“
Dr. Gundl Kutschera