Die Schaffung einer angstfreien Unternehmenskultur

Institut Kutschera

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19.01.2024

Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz führt zu einer verbesserten Teamfähigkeit, mehr Motivation und neuen Lösungsideen

Wir leben in einer modernen Arbeitswelt, die von Innovation und Teamarbeit geprägt ist. Trotzdem bleibt die Präsenz von Angst in vielen Unternehmen allgegenwärtig. Man fürchtet die Meinungen der Kolleg:innen, die Reaktionen der Führungskräfte, den Verlust des Arbeitsplatzes, etc.

Kein Gefühl raubt dem Geist in solch einem Ausmass die Fähigkeit, zu handeln und klar zu denken, wie die Angst.

Edmund Burke, 1756

Wie kann man dem entgegenwirken und welche Auswirkungen hat psychologische Sicherheit für Mitarbeitende in Unternehmen?

Die Harvard-Professorin für Organisationspsychologie Amy C. Edmondson hat mit ihrem Werk „Die angstfreie Organisation“ einen wegweisenden Blick auf die Schaffung psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz geworfen.

Edmondson macht deutlich, dass dies nicht nur eine Veränderung in den Arbeitsweisen erfordert, sondern vor allem auch ein Umdenken auf Führungsebene.

Schaffung einer angstfreien Unternehmenskultur

In einer Zeit, in der Mitarbeitende 50 % mehr Zeit mit Teamarbeit verbringen, ist laut Edmondson effektive Teamarbeit nur in psychologisch sicheren Umgebungen möglich.

In diesem Artikel befassen wir uns mit Edmondsons Erkenntnissen und zeigen auf, wie die Resonanzmethode dabei unterstützen kann, eine Umgebung zu gestalten, in der Mut, Offenheit und Zusammenarbeit florieren können.

Es braucht ein Umdenken auf vielen Ebenen  

Ursprünglich forschte Edmondson zu Teamarbeit im Kontext von Fehlerquoten. In einer Studie mit zwei Gruppen von Teams kam sie zu einem überraschenden Ergebnis: das Team, das besser zusammenarbeitete wies trotzdem eine höhere Fehlerquote auf.

Sie kam zu der Erkenntnis, dass eine offene Kommunikationskultur, die das Berichten und Diskutieren von Fehlern erleichtert zu einem besseren Teamergebnis führt.

Wie kann eine vertrauenswürdige und sichere Umgebung geschaffen werden?

Neue Führungskonzepte

Neue Führungskonzepte sind gefragt, die den Raum bieten, herkömmliche Denkmuster zu durchbrechen und eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens zu fördern.

Die Aufgabe von Führungskräften besteht laut Edmondson darin, Mitarbeitende dazu zu motivieren, ihre beste Arbeit zu leisten, indem sie sie inspirieren, coachen, ihnen Feedback geben und Bestleistungen zu einer erfüllenden Erfahrung machen. 

Die dazu notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten werden auch in unseren Lehrgängen und Seminaren mittels der Resonanzmethode eingehend vermittelt und erlebbar gemacht.

Keine Angst vor negativen Konsequenzen 

Diejenigen, die den Mut für Veränderung aufbringen profitieren in vielerlei Hinsicht. Eine angstfreie Umgebung führt zu mehr Kreativität, weil Mitarbeitende ohne Angst vor negativen Konsequenzen bereit sind, Neues auszuprobieren und innovative Ideen zu teilen.

Die Freude an der Arbeit steigt, weil die Hemmnisse für konstruktiven Austausch und kreatives Denken abnehmen. Dies führt zu einer besseren Zusammenarbeit im Team.

Keine Angst vor negativen Konsequenzen

Mitarbeitende identifizieren sich stärker mit ihrem Unternehmen, wenn sie das Gefühl haben, gehört zu werden und aktiv zur Gestaltung der Unternehmenskultur beitragen zu können.

Dies führt zu einem gesteigerten Engagement und letztlich zu mehr Erfolg für das gesamte Unternehmen. Der Weg zu einer angstfreien Organisation funktioniert nicht von heute auf morgen. Er ist vielmehr das Ergebnis einer langfristigen und dynamischen Entwicklung.

Epidemie des Schweigens – die Angst sich zu äußern

Ein zentraler Aspekt psychologischer Sicherheit ist der Umgang mit Glaubenssätzen. Also tief in uns verankerte Annahmen über uns selbst, andere Menschen oder die Welt im Allgemeinen.

Beispiele für solche Glaubenssätze sind:

  • “Äußere dich nicht, wenn die Vorgesetzte anwesend ist”
  • “Die eigene Meinung zu sagen hat Konsequenzen für die Karriere”
  • “Kritisiere nichts, an dessen Schaffung der Vorgesetzte beteiligt war” 
Epidemie des Schweigens

Diese im Laufe des Lebens angeeigneten oder seit Generationen übernommenen, unbewussten, internen Regeln hemmen Mitarbeitende sich in Meetings oder im Austausch frei zu äußern.

Damit wird eine Atmosphäre des Schweigens kreiert. Ganz nach dem Motto: Noch niemand wurde wegen seines Schweigens gefeuert.

Du kennst das vielleicht aus eigener Erfahrung:
Eine Führungsperson stellt eine Frage und es herrscht betretenes Schweigen. Es wird nicht etwa geschwiegen, weil niemand eine Antwort auf die Frage wüsste, sondern weil sich niemand an das heisse Eisen traut.

Edmundson beschreibt, was sie in ihrer Forschung dazu herausgefunden hat. Menschen verirren sich so sehr auf die Seite der Vorsicht, dass sie routinemässig auch großartige Ideen – und nicht nur schlechte Nachrichten oder Kritik – zurückhalten.  

Die Atmosphäre der Angst beseitigen 

Studien zeigen, dass psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz möglich ist. Und dass sich unter diesen Umständen Menschen tatsächlich äußern, Ideen einbringen, Fehler berichten und noch weitaus mehr Verhaltensweisen zeigen, die man als “lernendes Verhalten” bezeichnen kann.

Wenn sich Menschen psychologisch sicher genug fühlen, Einsichten, Meinungen oder Empfehlungen einzubringen, vermehrt sich das Wissen im Raum exponentiell. Wir können nur dann klüger denken, wenn die anderen im Raum offen sagen, was sie denken.  

Wie lässt sich eine Atmosphäre der Angst beseitigen?

Edmondson schreibt in ihrem Buch, dass es in Unternehmen darum geht, eine Umgebung zu schaffen, in der die Menschen ihr ganzes Selbst in die Arbeit einbringen können.

Sie beschreibt dazu folgende zentrale Schlüssel-Elemente:

  • Die Kraft des Nicht-Wissens: Die Kraft des Prinzipes des Nicht-Wissens veranlasst, Fragen zu stellen, um Rat zu bitten und die besten Antworten auf schwierige Fragen zu finden. Führungskräfte, die bereit sind, “Ich weiss es nicht” zu sagen, spielen eine überraschend wirkungsvolle Rolle für die Begeisterung des Herzens und Verstandes der Mitarbeitenden.
  • Sicheres Scheitern: Es ist ganz natürlich, sich Sorgen darüber zu machen, was andere Leute denken und ob man den Job verliert, wenn man scheitert. Deshalb wollen Menschen das Scheitern möglichst vermeiden, es sei denn, eine Führungsperson macht es ausdrücklich und aktiv psychologisch sicher, zu scheitern. Dies spornt Mitarbeitende an und unterstützt sie dabei, neue Wege zu gehen, Risikobereit zu sein, Unbekanntes auszuprobieren, Dinge neu zu denken, aus Rückschlägen zu lernen, Kreativität, Innovation und Intuition in ihr Wirken miteinzubeziehen.
  • Die Basis einbeziehen und um Input bitten: Die Einbeziehung von Mitarbeitenden (der Basis) für die Schaffung neuer Arbeitsprozesse spielt eine zentrale Rolle. Denn sie wissen oft am besten, wie Arbeitsabläufe am effektivsten und sichersten geplant und umgesetzt werden müssen.
  • Wertschätzung der Mitarbeitenden: Die Schaffung einer Umgebung, in der die Mitarbeiter:innen wertgeschätzt werden bietet Vorteile für die Einsatzbereitschaft, die Problemlösung und die Leistung.
  • Der Arbeit einen Bezugsrahmen geben: Führungspersonen können dem Scheitern einen neuen Bezugsrahmen geben, indem sie erklären, davon überzeugt sind und andere davon überzeugen und vorleben, dass sie nicht für das Scheitern argumentieren, sondern für das Lernen. Führungskräfte müssen den Mitarbeitenden verständlich machen, dass sie Scheitern als Lernmöglichkeit verstehen. Dies gelingt, wenn Führungspersonen einen neuen Bezugsrahmen geben und einen Raum schaffen, in dem kontinuierliches Lernen möglich ist. Mitarbeitende werden so zu Mitwirkenden mit wichtigem Wissen und wertvollen Einsichten. 

Der grösste Feind des Lernens ist das Wissen.

John Maxwell

Die wichtigsten Aspekte einer angstfreien Organisation: 

  • Zur Mitwirkung einladen und produktiv reagieren, d.h Wertschätzung ausdrücken, Entstigmatisierung des Scheiterns, klare Verstöße gegen die Unternehmenswerte mit Sanktionen belegen.
  • Wiederholen dieser Praktiken auf interaktive, lernorientierte Weise, um kontinuierlich eine Atmosphäre der Aufrichtigkeit zu schaffen.
  • Es liegt in der Verantwortung der Führungspersonen auf allen Ebenen der Organisation, psychologische Sicherheit aufzubauen und verstärken. Psychologische Sicherheit ist dabei viel mehr als das Vorhandensein von Vertrauen.

Wie schafft man einen Rahmen für psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz? 

Eine angstfreie Umgebung beginnt bei jedem Einzelnen, der den Mut aufbringt, aufzustehen und seine Gedanken zu äußern. Gleichzeitig muss das gesamte Unternehmen bereit sein, sich anzupassen, um offene Kommunikation in Teams und mit Führungskräften zu ermöglichen.

psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz

In einer wettbewerbsorientierten Umgebung erfordert dies einen bewussten Fokus auf Lösungen und Zusammenarbeit, wobei Belohnungen Mut und Offenheit fördern sollten.

Führungskräfte und Unternehmensinhaber:innen müssen ihre Denkweise ändern, um eine angstfreie Organisation zu schaffen.

Selbst in kleinen Teams können mutige Schritte große Veränderungen bewirken und als Vorbild für das gesamte Unternehmen dienen. Dies kann dazu führen, dass sich auch die Führungsebene mit dem Thema befasst und neugierig wird.

In unseren Lehrgängen und Seminaren vermitteln wir konkrete Werkzeuge, die dabei unterstützen einen solchen Rahmen zu definieren. Sowohl für einzelne Personen (Mitarbeitender, Führungskraft) als auch im Hinblick auf das gesamte System (Unternehmen).

Wir gehen davon aus, dass die Verbindung von Fachwissen und Intuition ein zentraler Aspekt ist und gefördert werden sollte. Außerdem ist das Zusammenspiel des Ichs und des Wirs essentiell. 

Auf welche Methodiken greifen wir dabei zurück?  

Die Resonanzmethode setzt sich aus einer Reihe unterschiedlicher Modelle und Werkzeuge zusammen, die im Rahmen eines nachhaltigen und systemischen Prozesses vermittelt und anwendbar gemacht werden.

Einige Beispiele dafür sind:

  • Das Modell der logischen Ebenen: Durch ressourcenorientierte Fragen werden neue Strategien und Verhaltensweisen entwickelt. Ein kreativer Coaching- und Teamprozess ermöglicht das Entstehen von Neuem und Ungewohntem. 
  • Talentemodell / Energiemuster: Die eigenen und die Stärken der Anderen bewusst erkennen und schätzen lernen. Dies fördert die persönliche Entwicklung und macht deutlich, welche Fähigkeiten noch dazugelernt werden können. Und es macht die Wichtigkeit von heterogenen Teams deutlich.
  • Arbeit mit hinderlichen Glaubenssätzen: Das Erkennen und verändern hinderlicher Glaubenssätze führt dazu, dass Barrieren überwunden und so die Grundlage für eine angstfreie Organisation geschaffen werden kann.
  • Mentalreisen & Trance-Arbeit: Geführte Trancen unterstützen dabei, Altes/Hinderliches zu transformieren, neue Zielbilder und Verhaltensweisen zu kreieren und diese zu integrieren. Damit kann Neues auf emotionaler Ebene erlebt und  im Alltag  integriert werden kann.

Diese Liste stellt nur einen Teil der Möglichkeiten dar. Wenn du mehr dazu wissen möchtest oder den Wunsch hast, dein Team / dein Unternehmen angstfrei zu gestalten, freuen wir uns über den Austausch mit dir.


Quelle:
Buch: Die angstfreie Organisation, von Amy C. Edmondson
Website: amycedmondson.com

Studien zum Thema und weiterführende Links:
Edmondson, A. C. (1999): Psychological safety and learning behavior in work teams.

Int. J. Environ. Res. Public Health (2023), by Emil Viduranga Mogård, Ole Bendik RørstadORCID and Henning Bang: The Relationship between Psychological Safety and Management Team Effectiveness: The Mediating Role of Behavioral Integration.

Thomas Bachmann und Katherina Quispe Bravo (2021): Wie entsteht psychologische Sicherheit und Teamidentifikation? Eine empirische Untersuchung.

Interview NZZ (2023): Harvard-Professorin Amy Edmondson: „Die Angst vor Fehlern treibt Mitarbeitende an, Dinge zu verheimlichen und zu vertuschen“

Human Ressources Manager (2023): Interview mit Psychologin Ina Goller: „Hier kann ich sein, wie ich bin“

SZ-Magazin (2018): Interview mit Matt Sakaguchi (Google) „Was macht ein gutes Team aus?“


Inhalt und Recherche: Susann Berger

Redaktion: Alexander Steiner